DEr vierte Morgen des Textlandes stille Bylle ist bearbeitet!

(Und hier geht’s endlich weiter im Text der Erzählung stille Bylle.)Die Wohnungstür wurde sofort geöffnet. Und Gesken stand einer großen, alten Frau mit vollem, weißem Haar gegenüber, das sie zu einem Bauernzopf geflochten trug.
„Moin, Gesken Paulsen, Kriminalpolizei!“
„Moin, Bente Piepenbrink!“
Und einen langen Augenblick sahen sich die beiden Frauen in die blauen Augen und stellten dabei fest, dass die jeweils andere keineswegs blauäugig war, dass sie aus dem selben Holz geschnitzt waren und miteinander sehr gut auskommen würden, was auch geschehen sollte.

Frau Piepenbrink zeigte schließlich auf die Tür zu ihrer Privatküche. „Einen Friesengeist?“ „Wenn die Arbeit getan ist, gern!“ Und beide lächelten sich an.

Damit Bente Piepenbrink gar nicht erst damit anfing, sich Sorgen um ihre zeugenschaftliche Einvernahme zu machen, sagte Gesken: „Der Kollege Winkler macht die zeugenschaftlichen Einvernahmen. Und es wäre gut, wenn Sie ihm dafür ein Büro oder Zimmer zur Verfügung stellen könnten.“ „Er kann unser Büro haben dafür!“, sagte die sehr tiefe Stimme der Hotelbesitzerin. „Und ich brauche ein Zimmer, viel Kaffee, ordentlich was zu beißen und was für die Bläss!“ Diesmal nickte Frau Piepenbrink nur.

Die beiden Frauen und Bläss gingen zur Rezeption. Frau Piepenbrink legte Gesken eine Anmeldung auf den Tresen und gab ihr einen Schlüssel. „Die 212 ist noch frei. Das ist direkt über dem Zimmer, in dem die Bylle, ähm, die Frau Leuchteblau gewohnt hat. Die Frau Leuchteblau und die Frau Fuchs kamen seit vielen Jahren zweimal im Jahr zu uns. Aber zu diesem Treffen wollte sie eigentlich nicht kommen. Sie wollte nächsten Dienstag ins Krankenhaus gehen, um sich die Polypen herausnehmen zu lassen. „Es tut mir leid, Bente, dass ich Deine gute Küche nicht richtig genießen kann, weil ich nicht riechen kann!“, hat sie gesagt, als sie gestern Nachmittag da stand, wo sie jetzt stehen.“ „Wer wusste darüber Bescheid, dass sie dieses Problem hatte?“ „Alle wussten das. Diese Albertine Kohlmeier, die das Treffen organisiert hat, hat das überall ‚rumposaunt, warum die Frau Leuchteblau nicht kommen wollte, wie unmöglich sie das findet, und wie sie sie überzeugt hat, doch zu kommen.“

Gesken unterschrieb das Anmeldeformular und steckte den Zimmerschlüssel in ihre Hosentasche. Bente Piepenbrink beugte sich vor und machte eine Handbewegung in Geskens Richtung. Und die Polizeibeamtin, die schon hatte gehen wollen, hielt inne. „Ich hätte besser aufpassen sollen, als die Kohlmeiers, das Ehepaar von Hohlberg und die Bylle im kleinen Salon Amaretto getrunken haben. Das Fest sollte ja erst heute Abend stattfinden. Im Moment führe ich das Hotel ja allein. Mein Mann ist im Mai ja plötzlich verstorben. Und mein Sohn und meine Schwiegertochter wollen erst Anfang nächsten Jahres übernehmen.“ „Wann machen Sie ganz zu?“ „Am 01. September!“ „Wer hat den Amaretto bestellt und bezahlt.“ „Bestellt hat Albertine Kohlmeier. Und die drei Flaschen stehen auf der Rechnung von der Bylle.“ „So was habe ich mir gedacht. So sind die Rollen klar verteilt in einer Schicksalsgemeinschaft!“, dachte Gesken. Es war alles gesagt. Aber es war noch nicht alles getan. Und Gesken schenkte Frau Piepenbrink einen langen, tröstenden Blick, um Schuldgefühlen und Selbstzweifeln, die der Frau gekommen waren, oder die noch in einem seelischen Hinterhalt lauerten, etwas entgegenzusetzen, und um ihrem Beileid bezogen auf Frau Piepenbrinks persönlichen Verlust Ausdruck zu geben. Dann wandte sie sich mit einem kurzen Gruß ab und ging mit Bläss, die nicht von ihrer Seite wich, aus dem Hotel, um ein paar Sachen aus ihrem Auto zu holen.

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https://steadyhq.com/de/paulas-netzgeschichten. Herzlichen Dank für Deine Hilfe!

Stille Bylle – Der erste Morgen Textland ist beackert! :)

(die Beiträge mit den Teilen der Erzählung stille Bylle enthalten immer so viel Text, wie ich an einem Morgen schaffe. Obwohl der Morgen in der Landwirtschaft inzwischen eine feste Maßeinheit ist, schafften die Bauern zumindest früher nicht immer gleich viel. und so wird es auch mit dem textland sein.)

„Wer dem Tod eines Altersgenossen begegnet, begegnet immer auch seinem eigenen Tod!“, dachte Gesken Paulsen. Sie wandte den Kopf langsam nach links und von der Toten ab. Doch der Gedanke, der ihr über den Tot in den Sinn gekommen war, änderte durch die Bewegung seine Richtung nicht und führte sie nicht an den Punkt, wo die Quelle, von der dieser Gedanke über den Tot stammte, gespeichert war. Gesken registrierte, dass ihr Gedächtnis sie ausnahmsweise im Stich ließ. Aber anstatt sich darüber zu ärgern, schloss sie kurz die Augen, um sich zu sammeln, öffnete sie dann wieder und betrachtete das Zimmer, in dem die Tote gefunden worden war.

„Eine verdächtig ruhige Szene, eine verdammt ruhige Szene!“, dachte Gesken. Aber irgendetwas verhinderte, dass sie diese „verdammt ruhige Szene“ genau erfassen konnte.

Dass die Tote genauso alt war wie Gesken Paulsen und einige andere Fakten hatte ihr Heiko Wissmann mitgeteilt, noch bevor sie in den ersten Stock der Pension gegangen war, um die Tote zu sehen. Als Gesken den Eingangsbereich des Viermasters betreten hatte, hatte sie Wissmann beobachtet, wie er wie ein Gockel auf und abstolzierte, um derjenige zu sein, der der Chefin die bereits bekannten Fakten präsentierte. Obwohl er begierig seine Informationen an sie loswerden wollte und auf sie wartete, hatte er sie zunächst nicht bemerkt. „Moin, Wissmann!“, hatte sie gesagt. Er stolzierte auf sie zu, plusterte sich noch mehr auf und sah seiner Chefin mit herablassendem Blick an, obwohl er zu ihr aufsehen musste. Denn er war fast 20 Zentimeter kleiner als sie. „Welche Fakten sind schon bekannt?“ Wissmann ärgerte sich, weil er wusste, dass sie bei jedem anderen Kollegen, „Was wissen wir schon?“, gefragt hätte. Doch er schaffte es großspurig da zu stehen und Zu verkünden: „Weibliche Leiche, 51 Jahre alt, ist mit einer Blindengruppe hier, die an diesem Wochenende hier ihren 45jährigen Einschulungstag feiern wollten. Die sind wohl hier, weil sie hier auch mal im Schullandheim gewesen sind. Sie ist Musikerin und Musikprofessorin in Düsseldorf, schreibt und übersetzt auch und das alles inzwischen sehr erfolgreich. Ihr Name ist, ähm, Sibylle, ähm, Sibylle, ach ja, Sibylle Leuchteblau, arbeitet aber unter einem Pseudonym. Das hab ich vergessen ist aber nicht wirklich wichtig! Sie wurde vermutlich vergiftet, vielleicht auch Selbstmord, wahrscheinlich Zyankali. Sie wurde tot in ihrem Zimmer gefunden!“

„Wie sind die Leute auf den Todesfall aufmerksam geworden?“

„Die hatte einen Köter, so ein Vieh, das sie geführt hat. Der hat irgendwie gepeilt, dass was nicht stimmt, hat gebellt, die Zimmertür aufgemacht, ist zu den Wirtsleuten gerannt, die noch beim Aufräumen waren. Und die haben sie dann gefunden.“

Als sie den Flur im ersten Stock betreten hatte, war Gesken sofort die ruhige und gefasste Stimmung aufgefallen, di von überall her auf sie zugekommen war. „Gute Arbeit, Winkler!“, hatte sie gedacht. „Moin, zusammen!“, hatte sie mit ihrer tiefen leicht rauen Stimme laut und deutlich gegrüßt, dass auch die Gäste, deren Zimmertüren alle offen gestanden hatten, sie hatten hören können Sollten sie doch neugierig sein, wie sie wollten. Solange ihr niemand im Weg war oder ihr die Ohren voll quatschte, war alles gut.

„Warum sind Sie eigentlich so spät gekommen, Chefin?“, hatte Wissmann gefragt. Das Wort Chefin hatte er ihr förmlich vor die Füße gespuckt. Er war wütend auf sich selbst gewesen, da ihm der Tonfall, der eine eindeutigzweideutige Anspielung in die Frage gelegt hätte, nicht gelungen war. „Meine ältere Tochter hatte nach mehr einem Jahr einen ihrer plötzlichen Anfälle von Muttersehnsucht. Da musste ich doch hin!“ Gesken hatte dann heftig den Kopf geschüttelt und damit die Gedanken an den Nobelfraß, die teuren Weine, das gezierte Imponiergebell der Mutter ihres Schwiegersohns und den lamorianten Fastmonolog ihrer Tochter Rikarda, den sie sich hatte nach dem Essen anhören müssen, abzuschütteln. Dann hatte sie Sibylle Leuchteblau sorgfältig und ruhig betrachtet und festgestellt, dass sie nicht nur im selben Alter gewesen war, sondern auch genauso groß gewesen war wie Gesken selbst. „Bohnenstange, Storch im Salat, Kleiderständer, um nur die netteren Sachen zu sagen!“, hatte Gesken mit leicht bitterem Unterton in der Stimme gemurmelt.

„Schön, dass Sie solidarisch sind! Aber, was denken Sie über den Todesfall? Finden Sie nicht auch, dass das auch ein Selbstmord sein könnte?“ „Nein, das finde ich ganz und gar nicht. Das sieht aus als ob es sich eine Frau mit einem Schlumertrunk und einem Buch zum Abschluss eines Tages im Bett gemütlich machen wollte!“ „Dafür spricht auch, dass wir im Bad ihre Glasaugen in der Reinigungsflüssigkeit gefunden haben!“, hatte Richards eingewendet. Er war erst seit zwei Monaten bei der Mordkommission. Und noch bevor Wissmann, gekränkt darüber, dass ein noch jüngerer Beamter als er selbst einer war, überhaupt etwas gesagt hatte, hatte der Gerichtsmediziner und enge Vertraute von Gesken, Dr. Jan Wilhelmsen, hinzugefügt: „Die Auffindesituation lässt einen Selbstmord sehr, sehr unwahrscheinlich erscheinen. – Nur ein größerer Schluck war nötig, um sie zu töten. Die Dosis muss also ziemlich hoch gewesen sein. Sie hatte einen längeren Todeskampf, hat sich übergeben müssen. Also war das Kaliumcyanid nicht mit einer Säurelösung versetzt, wie man es bei einem Selbstmord typischerweise macht, um den Todeskampf zu verkürzen. – Wie dem auch sei! Die Autopsie wird genaue Einzelheiten ergeben.“ „Und die Befassung mit dem Leben des Opfers auch!“, hatte Gesken gesagt. Und dann war ihr noch einmal der Gedanke in den Sinn gekommen: „Wer dem Tot eines Altersgenossen begegnet, begegnet immer auch seinem eigenen Tod!“ Diesmal hatte Gesken den Gedanken offenbar ausgesprochen, denn Wilhelmsen hatte gemeint: „So ähnlich steht es in Bruder Cadfael und ein Leichnam zu viel als Hugh Beringer den Leichnam, der eben nicht zu den Hingerichteten gehört und in Beringers Alter ist, sieht.“ Gesken hatte ihm dankbar zugenickt und gelächelt.

Und als Gesken sich diesmal, immer noch im Türrahmen stehend, im Zimmer umsah, nahm sie endlich die Einzelheiten und das Gesamtbild genau wahr. Sie sah und roch, dass sich Sibylle Leuchteblau erbrochen hatte. Und die Haut war rosig verfärbt, was wie der Geruch nach Bittermandel ein deutlicheer Hinweis auf eine Cyanidvergiftung war. Sie sah das große Punktschriftbuch auf dem Bett, die leere Flasche und das noch fast volle Glas auf dem Nachttisch, rote Hausschuhe, wahrscheinlich in Größe 45 und den Hund, der am Fußende des Bettes auf einer Decke lag. Offensichtlich hatte noch niemand den schokobraunen Labradormix mit dem runden, weißen Fleck auf der Stirn wirklich bemerkt. Das Tier lag da, seine Augen waren geschlossen, es gab keinen Laut von sich, zuckte nur manchmal, da nichts, was lebt, absolut unbewegt sein kann. „Auch Hunde können vollkommen resignieren!“, dachte Gesken bei sich.

Du kannst die Entstehung der Erzählung stille Bylle nach Herzenslust kommentieren und Fragen stellen. Wenn Du die Publikation des Textes als Ebook und Taschenbuch unterstützen möchtest, findest Du die Angaben zur Crowdfundingkampagne unter
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Paula Proudly presents stille Bylle als erste Geschichte in Paulas Netzgeschichten

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in diesem Artikel möchte ich Euch kurz die erste Geschichte vorstellen, die den Reigen der Netzliteratur und der Crowdfundingkampagne ab morgen eröffnet.

Gesken Paulsen wird zu einem Leichenfund gerufen. Doch bereits beim ersten Anblick der Verstorbenen stellt die Polizistin fest, dass sie mehr mit der Toten, Sibylle Leuchteblau, gemeinsam hat als das selbe Alter. Vor allem die Befassung mit den persönlichen Aufzeichnungen der Toten zeigen der Polizeibeamtin wie ähnlich und doch auch verschieden beide Frauen ihren Lebensweg gegangen sind und sich etwas geschaffen und erschaffen haben, was ihnen niemand zugetraut hat. Und obwohl die Unterschiede im Leben der beiden Frauen zunächst bedeutender erscheinen als die Gemeinsamkeiten, wird die Geschichte der blinden Musikerin und Übersetzerin Sibylle Leuchteblau für Gesken mehr als ein großes Stück Weges auf der Reise zu sich selbst. Als Gesken Paulsen die Menschen aus Bylles Umfeld mit den Selbstzeugnissen der Verstorbenen konfrontiert, bewahrheitet sich nicht nur Geskens Vermutung, dass alle kaum etwas von der Toten wussten. Indem Gesken Bylle selbst zu Wort kommen lässt. Darüber hinaus gelingt es ihr mit Hilfe dieser persönlichen Aufzeichnungen die genauen Umstände des Todesfalls zu klären. Obwohl es um einen Mordfall geht, ist diese Erzählung kein klassischer Krimi.

WEITERE ANGABEN ZUM PROJEKT

Inspiriert wurde die Idee für das Buchprojekt von der Ausschreibung für den Literaturwettbewerb zum Thema Aufstieg durch Bildung, bei dem Erzählungen im Umfang von bis zu 100 Seiten eingereicht werden können. Zur Teilnahme berechtigt sind Geschichten zum genannten Thema, die bis September bei der Noon-Foundation zugesendet werden, und die veröffentlicht sind, oder für die eine Publikation beabsichtigt ist.

Ich würde mich freuen, wenn Ihr mitlest, Fragen stellt, kommentiert und Mitglied des Schwarms würdet. Informationen über die Kampagne gibt es unter

https://steadyhq.com/de/paulas-netzgeschichten.

Liebe Grüße

Paula Grimm